Vor ca. zwei Wochen erschien im Branchenblatt Horizont ein Interview mit drei Top-Kreativen.
Die lustigsten Passagen habe ich extrahiert und kommentiert.
Los geht es mit der Frage nach dem Story Telling bzw. warum in der Werbung so wenig gute Geschichten erzählt werden.
Dörte Spengler-Ahrens: Emotionale Markenerlebnisse schaffen, Menschen mitnehmen – das geht am besten mit guten Geschichten. Bildgewaltig, gefühlsgeladen, eindrucksvoll. Nicht umsonst ist die Bibel eine Geschichtensammlung und keine Gebrauchsanleitung oder Regelwerk. Wie man mehr davon bekommt? Mehr Mut. Mehr Geld!
Stop! Die Bibel also. Drunter geht’s nicht, wenn wir über Reklame reden. Und die 10 Gebote sind doch eigentlich das berühmteste Regelwerk der (Religions)Geschichte? Egal, bildgewaltig, eindrucksvoll, die Bibel – passt schon.
Guido Heffels: Geschichten zu erzählen, dabei handelt es sich ja um den Ursprung unserer Branche. Nur, weil man die letzten Jahre eher dazu neigte, die Abstreichlisten der Kunden umzusetzen, hat sich daran nichts geändert. Alles drin, fertig, kann ja nicht falsch sein. Leider haben das viel zu viele gemacht. Und nun wacht die Branche aus dem Koma auf und merkt, dass das all die Menschen draußen nicht interessiert. Das wäre im Prinzip schon mal die Basis für eine gute Geschichte.
Was will uns der Dichter damit sagen? Der „Urprung“ der Reklame ist angeblich das Geschichten erzählen. Das Geschichten erzählen wurde durch das Umsetzen von „Abstreichlisten“ ersetzt. Was auch immer auf diesen „Abstreichlisten“ drauf stand. Aber damit ist jetzt Schluss! Denn die Werber wachen aus dem Koma auf – was genialerweise schon der Stoff für den nächsten Blockbuster ist! Ich sehe den Trailer schon vor mir: „Lange Jahre lebten die Menschen in Frieden. Es gab weder TV-Spots noch Anzeigen. Doch dann erwachte das Böse aus dem Koma – Advertising Man is back!“
Die nächste Frage lautet: Wie wird morgen das Wetter? Natürlich nicht! Sondern: Alle reden von Content Marketing. Warum werden trotzdem immer noch so wenig unique Inhalte crossmedial inszeniert?
Das Wort hat wieder Herr Heffels.
Heffels: Alles bedingt seine Zeit. Vor allem braucht es die Erkenntnis, dass man sich für derartige Herangehensweisen einer ganz anderen Teamaufstellung bedienen muss. Da zögert man noch im Milieu. Am Ende aber wird alles gut. Wir leben jedoch leider in einem Kulturkreis, der den Wert hochwertig produzierter Serieninhalte nicht zu schätzen weiß. „Breaking Bad“, „Walking Dead“, „Homeland“ – in Deutschland undenkbar.
Was für Herangehensweisen sind das denn? Woher weiß er, dass am Ende alles gut wird, wenn das „Milieu“ noch zögert? Bzw. doch nicht gut wird, denn unser Kulturkreis weiß hochwertige Serieninalte ja nicht zu schätzen. Sind TV-Serien Content Marketing? Soll ich jetzt Waschmittel verkaufen, indem ich TV-Serien produziere, die im Drogenmilieu spielen?
Weiter geht’s: Alle reden vom steigenden Anspruch an digitale Kreation. Warum ist die meiste digitale Kreation trotzdem immer noch ziemlich langweilig und technikgetrieben? (Während die nicht-digitale Kreation ja bekanntlich immer und per se extrem spannend ist…)
Heffels: Die breite digitale Kampagne für jeden gab es noch nie. Stattdessen nutzt das Medium viel mehr aus, was es originär ausmacht. Ganz gezielt in verschiedene hochattraktive Zielgruppensegmente rein. Wenn Sie von diesen Superduperlaserphazer-Kampagnen nichts wissen, liegt das daran, dass Sie wohl nicht zur Zielgruppe gehören. Ja, das ist dann wirklich traurig. Lassen Sie sich von Umstehenden spontan in den Arm nehmen an.
Ich würde mich jetzt gerne von Umstehenden spontan in den Arm nehmen lassen. Es sind leider keine da. Ich bin auch traurig, denn von „Superduperlaserphazer-Kampagnen“ weiß ich nichts. Vielleicht sind die „Superduperlaserphazer-Kampagnen“ ja die Waffe mit der die aus dem Koma erwachten Werber die Menschheit bedrohen? Wir werden es hoffentlich nie erfahren.
Digitale Kreation ist übrigens auch deshalb so langweilig, weil der Kunde doch unverschämterweise wissen will, was er für sein Geld bekommt:
Stefan Zschaler: KPIs, KPIs, KPIs. Da man mit den digitalen Möglichkeiten vermeintlich alles messen kann, kommen innovative Ideen bei internen Messpropheten, Besserwissern und Bedenkenträgern gar nicht erst durch.
Kommen wir zum Abschluss, kommen wir zum „War for talents. Warum auch sollten kreative Talente heute noch in die Werbung wollen?“
Spengler-Ahrens: Werbung ist so ein altmodisches Wort. Wir sollten das, was wir tun, in Worte fassen. Nennen wir uns Aufmerksamkeitsregisseure. Nennen wir uns Emotionbuilder. Nennen wir uns Traumlenker. Dann klappt’s auch mit dem Nachwuchs.
Liebes Finanzamt, bitte führen Sie mich ab sofort unter der Berufsbezeichnung „Aufmerksamkeitsregisseur“. Mit freundlichen Grüßen. Oder neulich auf der Party: Und was machst du so? Ich bin Emotionbuilder. Obwohl: Traumlenker trifft’s eigentlich auch ganz gut. Ist eigentlich noch was zum Koksen da?
Heffels: Wo sonst habe ich heutzutage die Möglichkeit, mich querbeet durch alle Medien zu entfalten? Stattdessen führen wir Diskussionen über Work-Life-Balance, betäuben uns mit den Nationenrankings der Kreativwettbewerbe und beschäftigen uns notorisch wahnsinnig mit uns selbst. Wenn Picasso so gedacht hätte, nein, nicht auszudenken.
So jetzt haben wir alles zusammen. Hier die Bibel. Da Picasso. Dort Breaking Bad. Kunden, die einfach nicht genug Kohle rausrücken. Und mitten drin der Top-Kreative, der sich – „notorisch wahnsinnig“ – mit sich selbst beschäftigt. Warum eigentlich?
Unser Job ist doch sehr einfach: Hilf deinem Kunden mehr zu verkaufen. Völlig egal ob digital, crossmedial, mit oder ohne emotionalem Storytelling.
David Ogilvy: If it doesn’t sell, it isn’t creative.