Review: Digitaler Kapitalismus

Wenn dein SUB (Stapel ungelesener Bücher) noch nicht hoch genug ist, habe ich einen Tipp für dich: „Digitaler Kapitalismus“ von Philipp Staab.

Worum geht es in diesem Buch?

Der Autor beschreibt sehr eindrücklich den Siegeszug der GAFA Unternehmen (Google, Apple, Facebook, Amazon) und deren chinesische Pedants (Alibaba, Tencent). Seine Hauptthese lautet: Diese Unternehmen agieren nicht mehr als Teilnehmer auf Märkten, sondern werden zu Eigentümern von Märkten, es entstehen proprietäre Märkte. Die bekanntesten dieser Märkte sind die App Stores von Google und Apple sowie der Amazon Marketplace.

Proprietäre Märkte bieten den Inhabern diese Vorteile:

  1. Informationskontrolle: Das exklusive Wissen um die Entwicklung von Angebot und Nachfrage
  2. Zugangskontrolle: Der Marktinhaber bestimmt, welche Produzenten Zugang haben. Gleichzeitig kann er beeinflussen, welches Angebot zu welchen Preis der Konsument zu sehen bekommt
  3. Preiskontrolle: Der Plattformbetreiber kann das Angebot strategisch erweitern und so die Preise für Konsumenten (und damit die Umsätze) zu optimieren. Außerdem können sie eigene Angebote lancieren und systematische bevorzugen.
  4. Leistungskontrolle: Produzenten sind einem ständigen Bewertungs- und Optimierungsdruck ausgesetzt („Deutsch in Sprachauswahl nicht möglich!!!1! Sofort Updaten, sonst wird die App gelöscht!!!“).

Jetzt könnte man sagen: Wenn das nur App Stores betrifft, ist das ja nicht so dramatisch. Aber viele dieser Kontrollmechanismen werden von vielen Unternehmen adaptiert. Man denke hier nur AirbnB, Uber, Lieferando etc. Aber nicht nur in Plattform-Unternehmen geht der Trend hin zu einer lückenlose Kontrolle und Bewertung der Arbeit.

Die Entwicklung des digitalen Kapitalismus stellt Staab in einen spannenden wirtschaftshistorischen Kontext. Zum einen zeigt er auf, dass der Staat vor allem in den USA Entwicklungen in der Informations- und Kommunikationstechnologie finanziell stark gefördert hat. Die gerne kolportierten Erfolgstories (vom Garagentüftler zum Millionär) sind nur eine Seite der Medaille.

Außerdem weist Staab nach, dass es zwischen dem Aufstieg des Finanzkapitalismus und dem des digitalen Kapitalismus erstaunliche Parallelen gibt:

  • Es kommt zu einer Konzentration weniger großer Player. „Too big to fail“ heißt es dann bei den Banken.
  • Beide handeln mit immateriellen Gütern, die sich sehr günstig reproduzieren lassen. Es kommt zu einer „Ökonomie der Unknappheit“.
  • Der Finanzsektor (jedenfalls bis 2008) und die Plattformunternehmen versprechen ein überdurchschnittliches Wachstum. Vor allem im Vergleich mit dem seit den 1970er Jahren in den entwickelten Ländern relativ geringen Wirtschaftswachstum.

Ich kann das Buch jedem empfehlen, der sich einen kritischen Blick auf die jüngere Wirtschaftsgeschichte im Allgemeinen und die großen Plattformunternehmen im Besonderen wünscht: Es sollte nicht lange auf dem SUB liegen bleiben.

Hier noch ein Interview mit dem Autor:

Werber-Zombies freuet euch

Sag mal, war die klassische Werbung nicht gerade mausetot? Ein vermoderndes Relikt in immer dünner werdenden Print-Titeln und schrumpfenden Werbeblöcken im TV?

3-Euro ins Phrasenschwein: Totgesagte leben länger.

Schlurf, schlurf. Schmatz, schmatz.

The Walking Ad Men

The Walking Ad Men

Die Chef-Strategen von Facebook Deutschland umarmen den Klassik-Zombie mit offenen Armen!

„‚Es kommt nicht auf innovative technische Gimmicks an, auch nicht auf Interaktion, sondern auf klare, relevante Botschaften mit einem guten Visual und einer prägnanten Headline. Eben genau das, was gute Werbung seit jeher ausmacht'“.

Eben darum  „funktioniere Facebook als Plattform aber genauso wie Print oder TV über Impressionen.“

Schnitt. Rückblende.

Vor ca. 2 Jahren saß ich in einem Workshop mit zwei Facebook-Mitarbeitern. Das Mantra damals lautete verkürzt „Social by Design“.

Bedeutet(e): Alle Aktivitäten einer Marke auf Facebook müssen darauf abzielen, dass sich Fans aktiv beteiligen und bestenfalls ihre Freunde motivieren, auch mitzumachen.

Aber wie heißt es so treffend: Was geht mich mein Geschwätz von gestern an.

Diese Kehrtwende ist meiner Meinung nach vor allem finanziell motiviert. Stichwort Facebook-Ads, die gerade aggressiv von Facebook „verkauft“ werden.

Und zweitens ist sie inhaltlich falsch. Denn wenn Facebook und andere soziale Medien immer mehr zu einem weiteren Werbekanal verkommen, sind die Fans ratzfatz wieder weg. Und tauchen dann bei What’s App und Konsorten wieder auf. Denn wenn sie Werbung sehen wollten, könnten sie sich ja gleich den Stern kaufen…

Photo credit: Kevin Conor Keller / Foter.com / CC BY-NC-ND

Wie gefährlich ist die Datenkrake Facebook?

So lange es Facebook gibt, werden Zeigefinger gehoben, wird gemahnt, gewarnt und gezetert: Mark Zuckerberg will nur dein Bestes – deine Daten. Die verkauft er dann an die böse Werbeindustrie und du bist nur noch ein gläsernes, armes Würstchen, das mit auf dein Profil zugeschnittenen Anzeigen zum Geldausgeben gezwungen wird.

Aber stimmt das eigentlich?

Ich wage heroisch den Selbstversuch. Und poste jetzt und hier, direkt aus Facebook, meine „Anzeigen, die dir vielleicht gefallen“.

Oh Gott, woher weiß Facebook, dass ich einen Rettungsring habe? Ist also der beste Flirttipp „Frauen stehen auf Muckis. Weg mit der Wampe – in nur drei Wochen zum Sixpack“?

Ganz gruselig auch diese Serie von schwarz-weißen Bildern. Anscheinend durchkämme ich manisch das Internet auf der Suche nach verschollenen Verwandten (die Zuckerbergs?), um dann frustriert zu ballern was die Tastatur hergibt, siehe 1. Weltkrieg Spiel.

Und tatsächlich, der hängende PC, das ist doch mein Macbook! Und ich blogge auf WordPress!! Hilfe, ich will hier raus!!!

Also ganz ehrlich, so unglaublich bedrohlich finde ich das jetzt nicht. Sicher sollte man darauf achten, was man wo im Netz veröffentlicht. Aber zur Hysterie besteht kein Grund.

Und in diesem Zusammenhang noch ein anderer Gedanke. Ich möchte nicht wissen, wie groß das Geschrei wäre, wenn Facebook ab sofort auf Werbung verzichtet und dafür eine Jahresgebühr von 50 Euro/Jahr verlangen würde.

Zum Schluss ein Hinweis:

Eigentlich ist es sogar angenehmer Werbung zu sehen, die einen interessiert. Man müsste also eigentlich seine momentanen Präferenzen irgendwo hinterlegen, und dann im Internet, Print, TV und Radio einen individuellen Werbeblock serviert bekommen… die meist sinnfreie Zielgruppe wird dann zur Zielperson… das Marketing revolutioniert…

PS: Die weißen Flecken im Screenshot haben natürlich datenschutzrechtliche Gründe.

 

 

 

Werbung 2.010

In diesem Jahr wird ganz sicher „Social Media“ zum Dauer-Thema. Ohne Facebook geht nix mehr, und Twitter sowieso. Zwei große Brause-Produzenten machen es vor (Pepsi und Coca-Cola) bzw. mit. Ist im Prinzip ja gut und richtig, aber hier wird ein Denkfehler zum wiederholten Male reproduziert:

Wer nichts zu sagen hat, wird nicht gehört

Der Hype um Social Media ist ja nichts Neues. Seit dem Internet waren und sind da: Marken-Website, Banner, Micro-Sites, SEM, Second Life (erinnert sich da noch jemand dran?), Blogs, Mobile Marketing, und jetzt eben Facebook und Twitter. Also immer nach dem Motto: Meine Tell-and-Sell-Kampagne funktioniert nicht mehr in Print/TV, dann gehe ich eben ins Internet. Aber es reicht nicht, nur das Medium zu wechseln. Man muss zuerst über die Botschaft nachdenken. Hier gilt mehr denn je:

Content is King

Also erstmal muss man überlegen, was ich den Menschen an echtem Mehrwert bieten kann. Der Begriff Mehrwert ist da sehr weit gefasst.

  • Nützliche Informationen statt platter Werbung
  • Incentives und Preisvorteile
  • Gratis-Entertainment über z.B. Games anbieten
  • Personalisierung von Produkten ermöglichen
  • Engagement für eine gute Sache
  • Kunden in den Entwicklungsprozess von Produkten einbeziehen

Werbung, die relevant sein will, muss also das Leben einfacher, angenehmer, sinnvoller machen. Das Angebot muss so attrakiv sein, dass es freiwillig genutzt wird. Mit interruptiver Werbung (TV, Print, Banner) erreicht man nichts mehr.

Einfach mal zuhören

Der erste Schritt bei der Entwicklung von relevantem Content ist die Antwort auf diese Frage: Wie kann ich als Marke Probleme der Menschen lösen? Ein schönes Beispiel sind die öffentlichen Toiletten, die Charmin in New York betreibt. Hier sieht man auch schön, dass gute Kommunikaton oft nicht mehr auf abstrakte demographischen Modelle zugeschnitten ist. Aufs Klo muss halt jeder 😉

Abschließend noch ein Beispiel, wie Marken Facebook sinnvoll nutzen und nicht einfach einem Trend hinterher hecheln.